Es ist paradox, während Frauen erfolgreiche Bildungskarrieren hinlegen, sind Männer erfolgreicher im Berufsleben. Sie verdienen noch immer mehr und besetzen auch weiterhin deutlich mehr Führungspositionen als Frauen. Ist Weiblichkeit ein Hemmschuh für die Karriere?
Erfolg im Beruf ist an typische männliche Eigenschaften gekoppelt, das legen verschiedene Forschungsergebnisse offen. In einer Langzeitstudie wurden 2000 Teilnehmer, die gerade ihren Universitätsabschluss gemacht hatten, zu ihrem Selbstbild befragt. Dabeiwurde nach männlichen (agentisch genannt) oder weiblichen (kommunal genannt) Eigenschaften unterschieden. Als zwei Jahre später der Berufserfolg erfasst wurde, zeigte sich, dass die Personen mit agentischen Eigenschaften erfolgreicher waren. Interessanterweise korrigierten weniger erfolgreiche Personen nun ihr Selbstkonzept und schrieben sich weniger männliche Eigenschaften zu. Erfolg oder Nichterfolg steht demnach in einem engen und durchaus dynamischen Zusammenhang mit dem psychologischen Geschlecht.
Frauen ohne Führungsmotivation?
Eine andere Untersuchung ging der Frage nach, welche persönlichen Erwartungen Frauen und Männer an ihren Beruf haben und wie es um ihre Führungsmotivation bestellt ist. An der Studie nahmen 1000 Studenten technischer Studiengänge teil. Die Einstellungen zur beruflichen Tätigkeit waren für beide Geschlechter gleich. So stand bei allen die Work-Life-Balance an erster Stelle. Zudem nahmen leistungsorientierte und sinnorientierte Ziele für beide Geschlechter die gleiche wichtige Position ein. Bei der Frage nach Führungsambitionen zeigte sich jedoch ein Unterschied. Hier waren Männer eher daran interessiert, im späteren Berufsleben Führungsaufgaben zu übernehmen. Frauen hingegen zeigten ein geringeres Interesse.
Wie Stereotype unsere Wahrnehmung bestimmen
Woran liegt es also, dass Männer ambitionierter scheinen und weibliche Eigenschaften wenig erfolgsversprechend sind? Alice Hendrickson Eagle sieht die Ursache darin, dass diese Zuschreibungen mit den Rollen zu tun haben, in denen Frauen und Männer erfahren werden. Werden Frauen mehrheitlich in Rollen erlebt, in denen sie fürsorglich (Kinderbetreuung) und Männer in Rollen, in denen sie entscheidungsfreudig (als Chef) auftreten, dann werden sie auch mit diesem Rollenverhalten assoziiert. Und das, obwohl auch Frauen über agentische und Männer über kommunale Eigenschaften verfügen.
Hier wird auch vom sozialen Geschlecht gesprochen, das die Erwartungen an ein Geschlecht summiert. Dabei handelt es sich um Stereotype, die kulturübergreifend feststellbar sind und nach denen Frauen eher kommunale als agentische Eigenschaften zugesprochen werden. Diese Stereotype wirken wiederum auf Frauen, sodass sie sich selbst weniger zutrauen. Das bestätigt auch der Soziologe Reinhard Bispinck von der Hans-Böckler-Stiftung. Für die Arbeitswelt konstatiert er, dass in vielen Köpfen in der Chefetage noch ein diffuses Bild von männlicher Höherwertigkeit die Einstellungs- und Beförderungspraxis prägt, was sich wiederum negativ auf die Selbsteinschätzung der Frauen auswirke.
Fazit und neue Erkenntnisse
Für Frauen ist es daher generell schwerer, mit Führungsqualitäten in Verbindung gebracht zu werden, da die Aussenwahrnehmung ihre Innenansicht beeinflusst. Das soziale Geschlecht wirkt also auf das psychologische.
Dabei wird ein Aspekt in dieser Betrachtung aussen vorgelassen, der in einer eDarling-Umfrage aufgegriffen wird. Auch hier konnte festgestellt werden, dass männliche Eigenschaften karrierefördernder sind. Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass der grösste berufliche Erfolg mit einer Mischung aus weiblichen und männlichen Eigenschaften (androgyn) erreicht wird.
Natürlich sind nicht nur die Ausprägung von männlichen und weiblichen Eigenschaften ein Indikator für beruflichen Erfolg. Gerade wer eine Familie gründen will oder bereits gegründet hat, wird die Erfahrung machen oder gemacht haben, dass dieser Faktor einen grossen Einfluss auf die Karriere hat und meist sind Frauen die Benachteiligten. Es liegt an jedem selbst, Stereotype zu überwinden und das wahre Potenzial von sich und anderen zu erkennen.
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Quellen:
1 Andrea E. Abele: Geschlecht, geschlechtsbezogenes Selbstkonzept und Berufserfolg. Befunde aus einer prospektiven Längsschnittstudie mit Hochschulabsolventinnen und -absolventen. In: Zeitschrift für Sozialpsychologie 34 (2003), S. 161–172.
2 Andrea E. Abele & Julia Hiemer: Ingenieurinnen in Führungspositionen. Literaturanalyse zu Frauen und Männern im Ingenieurberuf. Universität Erlangen (2012).
3 Alice Hendrickson Eagly: Sex differences in social behavior: A social-role interpretation, 1987.
4 Ulrike Heidenreich: Zehn Gründe, warum Frauen weniger verdienen (März 2013). (http://www.sueddeutsche.de/karriere/equal-pay-day-zehn-gruende-warum-frauen-weniger-verdienen-1.1629745)